Auf dem Anwesen derer von und zu Hohennasen

Am darauf folgenden Tage begab sich unser Held  zum Anwesen derer von und zu Hohennasen, um die Komtesse in ihrer Kemenate zu einer Stippvisite aufzusuchen. Worthreichs Aufbruch erfolgte an diesem Tag fast verspätungsfrei – mit Ausnahme der halben Stunde, die Tunichguts Auftauchen – just in eben dem Moment als Worthreich seine Wohnung verlassen wollte – einmal mehr einforderte.

Obwohl Worthreichs Anliegen  – der Antrag auf  eine Liebesnacht – bereits obligatorisch geworden war, hatte dieser zum ersten Mal eine mehr als gewisse Dringlichkeit, die Worthreich unter Zugzwang setzte. Doch Worthreich wäre nicht Worthreich, hätte er nicht bereits die  unpassendste Einleitung für sein Ansinnen ersonnen gehabt. Und unsere Komtesse wäre wohl nicht Arroganzia von Hochnasen, wenn sie ihr Ja-Wort jedem dahergelaufenen Dichterschlawiener hinterhergeworfen hätte. 

Nein, ihre Gunst war an eine äußerst schwer erfüllbare Bedingung geknüpft, die ihrer Meinung nach nur der wahrhaft Auserwählte zu erfüllen vermochte: Sie erwartete den perfekten Reim als Hochzeitsgeschenk am Tage ihrer Krönung als Königin von Mickerburg. Die Ehe mitinbegriffen. Worthreich, der langfristigen Verpflichtungen seit jeher aus dem Weg gegangen war, fand sich also gleich in einem doppelten Dilemma zweier Szenarien wieder, die beide unausweichlich den Verlust seines Leibes und seiner Seele zur Konsequenz zu haben schienen. So betrat der Dichter die Räumlichkeiten der Komtesse mit dem unguten Gefühl, daß nur absolute Ehrlichkeit einen Ausweg aus der Situation bieten würde.

 

Auftritt Worthreich: Unser Held betritt die Gemächer der Komtesse, die gerade einmal wieder ihrer Lieblingsbeschäftigung, der Betrachtung ihres Hinterteils im Spiegel, nachgeht. Mit keinem Blick vom Spiegel abweichend begrüßt sie Worthreich mit höhrbar gelangweiltem und leicht genervtem Tonfall.

 

 

Komtesse:                                                                                                                        

Da seid Ihr ja, es wurd‘ auch Zeit

Denn wie Ihr wißt ich wart‘ nicht gern!

Nun sagt, was habt Ihr vorzutragen

das von solcher Dringlichkeit

Euch zu mir führt aus weiter Fern‘

nur spart mir bitte Eure Klagen!

Und gleich vorweg, auf einen Blick

sagt mir noch eins: Ist er zu dick?“

 

Worthreich:                                                             

„Zu dick ist immer relativ,

das wußte schon der Einstein, der Alte 

und selbst ein Worthreich wär‘ nicht so naiv

zu sagen, daß man sieht ne‘ Falte.

Auch komm‘ ich nicht von gar so fern 

und gerne tu‘ ich auch nicht klagen 

doch leuchtet mir zur Zeit kein Stern

und es erfüllt mich Unbehagen

als wollte mich der Schmerz verzehrn'“

 

Komtesse (mit spöttischem Tonfall):

„Vor Schmerz verzehrt sich auch mein Hirn

muss ich hören Eure Klagen 

Seid Ihr bei mir, wünsch ich mich fern

Geschrieben steht’s Euch auf der Stirn

Geboren seid Ihr für’s Versagen

Was Ihr auch wollt – ich will’s verwehrn‘

Doch Euren Schmerz versteh ich gern!

So sprecht, auf daß ich von Euch lern‘!

Nur bitte ohne die zwei Herrn‘!

(deutet auf die imaginären Körper von Taugenix und Tunichgut)

 

Worthreich (elegisch):

Mein Schädel dröhnt von letzter Nacht

lang hab kein Aug‘ ich zugemacht!

Und wieder einmal nichts vollbracht

Vom Schicksal bleib ich gar verlacht

und um meinen Schlaf gebracht!

Drum saß ich da mit brütend Hirn,

der Schweiß rann mir von meiner Stirn,

ich jagte Wörter, Phrasen Sätze,

doch fand ich keine wahren Schätze!

Kein großer Vers, wie ihr ihn mögt, 

mein Geist, er war wie leergefegt 

Alles was da war, was ich sah war,

irrer Wirrwarr, völlig unklar!“

 

Komtesse:                                                                                                                                   

„Ich versteh‘ schon, Bester mein

Ihr habt mal wieder keinen Reim

der meinem Liebreiz lobe auf Geheiß

sowie dem Ohr zu schmeicheln weiß

Was aber Schlimm´res noch verheisst:

In eurem Atem riech ich Kräutergeist!

Ich hoff‘ doch wohl zu Eurem Besten,

sein Ursprung sei die Medizin

die ihr braucht zum Überleben

Denn meine Luft hier zu verpesten

das wird sonst niemandem vegeben! 

(Nur etwas Liebe, Luft und Ephidrin

das braucht ein wahrer Mann zum Leben)

Doch sollte herrührn‘ Eure Fahne

von einem Trinkgelage mit der Plage

von Taugenix und Tunichgut

die dir geraten zu dem Plane

mich zu Verführn´im Übermut

dann rate ich Euch nur das eine,

Schert Euch mal schleunigst wieder heim

sonst macht die Wache hier Euch Beine

und es war Euer letzter Reim!

Habt ihr jedoch gefunden was ich will,

So füg‘ ich mich und bin ganz still

Werd‘ am Altare Eure Braut,

auch wenn’s mir jetzt schon davor graut!“

 

Worthreich:                                                                                                                                       

„Doch Liebste – woher nehmen wenn nicht stehlen

Weiß doch genau dass niemals ich,

finde, was ich such für Dich!

Soll’s mich denn auf ewig quälen?

 

Komtesse:                                                                                                                 

„Mein Worthreich, was erlaubst du dir

Mein Stand verlangt wir sind per „Ihr“!

Und überhaupt hab ich genug,

von diesem ganzen Un-ge-fug!

Mehr als Euch selbst quält ihr die Künste

und daher die Migräne mich

Denn Eures Krautes blaue Dünste

zähmen zwar den Wüterich

doch machen trübe sie den Geist des Denkers

und schwer das Beil des braven Henkers

Kommt noch der böse Schnaps dazu

hat zwar die liebe Seele Ruh‘

Ballt auch der Magen sich bald in der Weste

die noch nach Wochen trägt den Pestgestank

von seinem Inhalt fauler Reste

Dann sag ich nur: Nein, Vielen Dank!

Ist Euer Geist doch öd‘ und leer,

Wie eine Flasche Kräutergeist

dann fahret einmal übers Meer.

Nicht wie der Brand es Euch verheißt,

füllt Alkohol die Birne wohl

Er macht sie wirr und ihr entgleist

seid Ihr doch so schon viel zu hohl!

 

Worthreich:

Das habe ich nun überhört

Denn trotz des Pesthauchs übler Worte

ist’s doch mein Charme Euch betört

drum bleib‘ ich lieber hier vor Orte!

Auf mancher Insel weit weit fern

so heisst’s frisst man(n) den Menschen gern 

Dort gehe ich bestimmt nicht hin

Nach sowas steht mir nicht der Sinn!

 

Komtesse:

Ihr wollt mir nicht zu Diensten sein?

So hört gut zu, was ich jetzt sage:

 Dann sperr‘ ich Euch im Kerker ein!

Denn dort gibt es sehr lange Tage!

Sie beflügeln Wort und Geist,

selbst wenn man niemals weit gereist!

 

Worthreich:                                                                                         

„Mür dünkt’s der Sinn ist Euch entgleist

wie könnt ihr denn bloß danach trachten

zu sehen mich im Verließ verschmachten

und gar vom Anthopophag‘ verspeist

wüßt ich’s nicht besser dächt‘ ich gar

und hoff‘ daß Euch das nicht versauert

daß unter blondem Engelshaar

die Fratze der Xanthippe lauert

Doch eines das klang ziemlich klug

betreffend diese langen Tage

denn wie ihr sagt mit Recht und Fug

triff’s wohl die Wurzel meiner Plage

Zu kurz die Zeit für lange Pflicht –

Die Heirat will ich wirklich nicht!

                    

Komtesse:                                                                                                                                        

„Ich glaube wohl ich hör‘ nicht recht –

Wie könnt ihr diese Worte wagen?

Des Geistes Güter sind mir heilig

Im Bette bin ich eher schlecht

Und meine Männer immer eilig

Und etwas will ich Euch noch sagen

Von all dem dummen Dichterpack

Kann ich nur einen gut ertragen

und der ist schon ein alter Sack!

Doch strahlt sein Geist so hell und weise

wie stromdurchfloss’ner Wolfrahmdraht

in starrgefror’ner Hundescheiße!

 

Worthreich:

Zu fragen eins bleibt nicht vermieden:

Wer denn bitte sei es dann

der solch edle Verse schmieden,

und Reime nicht nur quälen kann?

 

Komtesse:

Dies zeugt nun doch vonIgnoranz

daß Ihr nicht kennt den ersten Namen

von wem ich sogar kenn den zweiten

Sein Wohlklang zeugt von Edelmut!

Auf seinen Schwingen will ich reiten

Er ist der Prinz der Poesiebilanz,

und auch im Bett – sagt man – ganz gut!

Selbst ohne einen hübschen Haarschnitt

Rumzicks Verstand kennt kein Erbarmen

und er erhellt die müden Geister

Für alle and’ren gibt’s nen Arschtritt

Ich läg‘ so gern in seinen Armen…

 

Worthreich (ihr lallend in’s Wort fallend):

„Aber beim Kartenspiel bescheißt er!

Und überhaupt -„Verbellt“ wär‘ wohl das Wort der Wahl

betreffend Geister

das sich geziehmt für einen Pavian,

den größten Affen hier im Saal

den roten Hintern aufgeblasen

der zudem wie ein Pinscher kläfft 

ist sein Gekeif‘ auch wahre Qual

so wird’s doch ständig nachgeäfft!

 

Komtesse:

So ist’s Euch wohl nicht wohl bewußt

daß eben jener eine Ode

an meinen Liebreiz hat verfasst

der Euch gar so arg verdrußt.

Mit solch sanftem zartem Worte

das Euch gar so sehr verhasst

angemessen meiner Anmut preisend

Und läßt er mich auch nicht erröten

vollbringt im Mindesten er’s nicht

die Lüste in mir abzutöten

wenn durch die Wortgebirge reisend

der Zungen Grenzen er durchbricht

                 

Und eins ganz nebenbei bemerkt:

Solange wir zwei allein sind könntet Ihr wirklich normal sprechen, dann wird meine Migräne bei Eurem nächsten Besuch möglicherweise weniger schmerzhaft ausfallen, sofern meine Laune dies zulässt. 

 

Worthreich:                                                                                                                                    

„Nein oh´ Komtesse´ Ihr wisst´s schon lang,

dass Euch nicht zum Narren halt,

und nicht anders reden kann

denn öffne ich den Mund nen´ Spalt

zu äußern was ich grad‘ ersann

ein Reim meine Gedanken krallt!

 

Komtesse:                                                                      

„Dann sagt mir noch Ihr denkend Thier:

Warum Ihr doch verharret hier?“

Ich werde Euch zum Teufel jagen

fort, hinter Gittern, ab in’s Meer 

geht’s Euch dabei nicht an den Kragen

so kommt doch bitte nicht mehr her!“

 

Worthreich :                 

„Nun sprecht in Versen Ihr ja doch!“

 

Komtesse:                                                          

„Aber mein Hirn, das hab ich noch!“

 

Worthreich:                                                                                                                                     

„Bei mir ist’s nur ein schwarzes Loch!“

 

Worthreich: (ihre Hand ergreifend)                                            

„Doch gehe ich dann nicht gern allein

aber wie wär´s denn mit uns zwein‘?

 

Komtesse (zieht die Hand erbost weg):                                                                                                                                             

„So wusst ich `s doch!

– dies war der Plan

mich klamm und heimlich zu entführen

und unanständig zu berühren!

Ihr hergelaufn’er Untertan – 

das war’s was meine Nase roch!

 

Worthreich:

Ein solcher Schelm, auch im Versehen

ist ganz gewiss nicht was ich bin

denn mit Euch von hier fortzugehn‘ 

stand eigentlich mir nicht im Sinn

(seinen Arm um sie legend) Alles weitere kann warten

ich weiß Ihr braucht ein wenig Zeit

doch letztlich zählen nur die harten

Fakten einer Ewigkeit

 

Komtesse: (sich aus Worthreichs Umarmung befreiend)

Wenn Ihr die ganze Nacht durchzecht

habt manches Mal Euch schon erfrecht

und so mißtraue ich mit Recht

wenn ihr von harten Fakten sprecht

(grinst wissend während Worthreich sich unangenehm berührt vor sich hinräkelt)

Und schlimmer – darauf kommt es an:

Sicherlich, so geh ich nicht

zum Altar mit einem Mann,

der immer nur in Reimen spricht

doch keine Verse schmieden kann

und auch noch streng nach Kneipe riecht

 

Worthreich:

Ich geb’s ja zu

ich war wohl saufen

mit Taugenix und Tunichgut

beim Wirt Wirth in der letzten Nacht

zu Erinnern‘ dies bringt mich in Schweiß

Doch lässt es mich nicht mehr in Ruh‘

– sagen wir hätten eine Wette laufen

ich unterschrieb, wie’s scheint auf Höllenglut

der Wirth hätt‘ mich sonst platt gemacht

Doch zittern läßt mich nun der Preis

den zu entrichten ich versprach 

drum bitte ich Euch nun ganz leis‘

geht doch mit mir in’s Schlafgemach

Versprechen will ich unvermessen,

daß ohne Tratsch und ohne Geld

die ganze Sach‘ werd‘ ich vergessen

denn ich bin nur ein Antiheld

 

Komtesse:

„Vergessen“ hättet Ihr wohl gern

doch eines sag ich klipp und klar

ich bin noch lang nicht so modern

danach geht es zum Traualtar!

Und vorher, das gilt ebenso, will ich von Euch freiheraus

den Reim der mir verleiht die Krone

und dass Ihr schweiget wie ne‘ Maus

denn leben tu‘ ich besser ohne

das was durch Eure Kehle bricht

Es intr’essiert mich nicht die Bohne

Weil Euer Leid‘ mich nicht anficht.

Doch eines wäre gewiss sehr nett:

Könnt ihr mir noch die Antwort geben?

Drum sagt mir, ist mein Arsch zu fett?

 

Worthreich (sich ob der erschreckenden Zukunftsperspektive entsetzt abwendend):

Ich hab genug von dieser Welt 

vom Tollhaus und vom Tagedieb

nichts‘ gibt es hier noch was mich hält

nicht mal mein Köter hat mich lieb

wen schert es schon, tu ich verrecken?

Wenn mir doch nur die Dichtung blieb

– auch sie hat mir die Welt vergällt!

Drum könnt Ihr auch dem Rumzick stecken

er möge mich im selb’gen lecken!

 

Komtesse:

Das ist genug! Wie könnt Ihr’s wagen

Ich glaube wohl ich höhr‘ nicht recht

Solch nied’re Wörter hier zu sagen

Bei deren Klang mir wird ganz schlecht

Denn wie ihr wisst, es ist, wie’s ist

dass jeder Reim mir wird zur Qual

wenn er benutzt gar zu anal!

Dann bin ich mächtig angepisst!“

 

Worthreich:

Oh weh, mir wird auf einmal heiß

hab ich doch nüchtern nicht den Mut

den ich mit Schnaps mein eigen weiß‘

(zieht ein zerknülltes Blatt papier aus der Tasche und beginnt vorzulesen)

„…zu versprechen all mein Hab und Gut

und auch den Mantel und den Degen 

wenn es mir nicht gelingen sollt

zum nächsten Mond sie flachzulegen

Komtessa von Hochnasen hold“

Dieser Vertrag lässt mich nicht ruhn‘

ich kann es mir auch nicht verzeihn‘

könntet Ihr doch wenigstens so tun,

ich gäb den Arm und auch mein Bein

 

Komtesse:                                                                                                                                              

Das klingt zwar reichlich unverschämt

Doch gibt es eins, das mich bezähmt

Drum sag ich’s Euch ganz unverfbrämt

Solang Ihr noch vor Schreck gelähmt

Schreibt mir eine Adoration

Geschmückt mit dem perfekten Reim,

Alles and’re wäre blanker Hohn

dann will ich enden Eure Pein!

Mit oder ohne Mullverband

Und vorzugsweise mit der Hand

 

 

Worthreich:                                                                                                                                       

„Ich bin ja nicht gern ungezogen,

doch mit der Hand wär‘ glatt gelogen?“

 

Komtesse:                                                                                                                                             

„Sucht ihr brav weiter – geht jetzt heim

der Rest soll meine Sorge sein!“

                     

Worthreich:                                                                                                                                 

„So fürcht´ ich müsst Ihr ewig warten,

denn ich gehör´ nicht zu den Harten,

die gerne in die Fremde ziehn,

nach Sydney, Tokio oder Wien!

Will hier an Eurer Seite bleiben

und Euch dadurch die Zeit vertreiben!

bis Ihr Euch so sehr verzehrt

daß wir es schließlich doch noch hinter uns bringen

– ohne um den Reim zu ringen“

 

Komtesse:                                                                                                                                                    

„Oh Gott, wie schlimm, so sei es dann 

dass ich Euch niemals nehm´ zum Mann!“

 

Worthreich zieht innbrünstig leidend von dannen

 

Fortsetzung folgt in:

Die Leiden des jungen Worthreich Buch II. Demnächst auf worthreich.de 

 

1 throught on "Auf dem Anwesen derer von und zu Hohennasen"

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.