Erster Theil: Wer leiden will muss schön sein!

 

Einleitung

 

Es war einmal ein winzig kleines Land. Das Land war so mikroskopisch klein, dass es eigentlich Mikronesien hätte heißen müssen, aber dieser Name war leider schon an einen größeren Staat vergeben. 

Das Land war sogar so klein, dass man es auf keiner Landkarte verzeichnet hatte, da man dafür den Maßstab der Karte so sehr vergrößern hätte müssen, daß es einen Wald gekostet hätte sie herzustellen, der größer gewesen wäre, als das Land selbst. Dieser Umstand hatte die Einwohner dieses Landes im Allgemeinen und die Komtesse Arroganzia von Hochnasen im Besonderen stets frustriert. 

Weil es so klein war, hatten es die verantwortlichen Chronisten immer für überflüssig gehalten, diesem Land überhaupt einen Namen zu geben. Man nannte es einfach immer nur „das kleine Land“ oder spöttisch „Mickerburg“. Noch nicht einmal den Titel „Kleinstes Land der Welt“ konnte Mickerburg für sich halten, denn der stand dem Nachbarstaat zu, dessen Name hier unerwähnt bleiben soll, da er bei den Mickerbürgern, die wir hier nicht verärgern wollen, mit einem Tabu belegt ist.

Eigentlich bestand Mickerburg nur aus einem König, seinem Hofstaat und einigen Quadratmetern Brachland. Es gab keine Bauern, keine Arbeiter und keine Beamten. Der einzige Vorgesetzte der gesamten Bevölkerung war König Rudolph der Ratlose und das einzige Gesetz das in Mickerburg galt besagte, dass jeder Einwohner glücklich und zufrieden zu sein habe. Und kam es doch einmal vor, dass einer der Einwohner unglücklich war, so sollte dieser, gemäß dem alten Gesetze, das bereits der Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Urgroßvater Rudolphs  (nach dem Genuss einiger Magnum-Flaschen „Chateau Mignon“) erlassen hatte, in den Kerker geworfen und erst wieder herausgelassen werden, wenn das Glück sich eingestellt haben würde. 

Den Wenigsten fiel es allerdings besonders schwer glücklich zu sein, denn schließlich gab es ja keine Arbeit in solch einem verdammt kleinen Land zu verrichten und so konnten sie sich beruhigt den ganzen Tag über der Muße und den Künsten widmen. Was sie zum Leben brauchten, erhielten sie von den Nachbarstaaten als Geschenk, die sich damit gerne brüsteten. Zugegebenermaßen waren die in Mickerburg betriebenen Künste alles andere als berühmt jenseits der Grenzen des kleinen Landes, aber das störte die Bevölkerung nur wenig, denn die Mickerbürger verfügten über ein sehr ausgeprägtes Selbstbewusstsein. 

Der als normal angesehene Geisteszustand eines durchschnittlichen Mickerbürgers reichte von metabewusster Selbstüberschätzung bis hin zu egomanischer Eigenverehrung. Für den Adel jedoch galt die megalomanische Hybris als das Mindestmaß geistiger Gesundheit. Der Komtesse Arroganzia von Hochnasen war dieser Zustand nur in den seltenen, äußerst kurzen Augenblicken des Selbstzweifels bekannt. Sie war die Alpha-Diva des Hofes und niemand wagte es auch nur den geringsten Zweifel daran zu äußern. 

Und obwohl in dem verdammt kleinen Land eigentlich alles gut funktionierte – wobei „alles“ sich jedoch hauptsächlich auf die Körperfunktionen der „Mickerbürger“ beschränkte – waren doch nicht alle glücklich, denn wieüberall  gab es natürlich einen Querulanten, der aus der Reihe tanzen und sich fortwährend beklagen musste.

In unserem Falle handelt es sich um den Literaturkritiker Adolf Rumzick , dessen niederschmetterndes Urteil auf kaum einer Dichterseele nicht tiefe Narben hinterlassen hatte. Besonders hart aber traf es den jungen Dichterprinzen Worthreich, dessen legendäre Leiden, die bösen Zungen zufolge hauptsächlich auf nächtlichen Alkoholgenuß zurückzuführen waren, eine niemals versiegende Quelle der Inspiration für die nachfolgenden Generationen werden sollten. 

Ganz nebenbei bemerkt – es war nichts besonderes in dem verdammt kleinen Land ein Dichter oder Prinz oder beides zu sein. Fast jeder der Einwohner nannte sich das eine oder das andere oder meistens beides. 

Zu Beginn unserer Geschichte war Worthreich gerade drauf und dran eine Wette zu verlieren, die seine gesamte Habe (also hauptsächlich Leib und Seele) eine Liebesnacht und die bereits erwähnte Komtesse Arroganzia von Hochnasen involvierte. Doch damit nicht genug. Aber alles zu seiner Zeit!

Zunächst einmal saß Worthreich wie so oft, berauscht vom Wein und in ein Zwiegespräch mit seinen imaginären Freunden Taugenix Tagedieb und Tunichgut Tollhaus versunken im Schankhaus seiner Wahl, Wirths „Wirtshaus zum Wirth“, wo lautstark über den Ausgang der Wette diskuttiert wird.

Fortsetzung folgt in: „Im Wirtshaus Wirth“

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