Im Wirtshaus „Zum Wirth“

 

Im Wirthshaus herrscht reger Betrieb: Es wird gesoffen und gezockt, geraucht und gerockt, ge’reht und gebockt. Es fliegen Flaschen und so mancher unbedarfter Kneipengast durch die Luft, während nach und nach auch der letzte Heller in der Tasche des durch und durch zufriedenen Wirthstiers endet. In einer konspirativ ausgedunkelten Ecke sitzen Worthreich, Taugenix und Tunichgut um einen kleinen runden Tisch , dessen Oberfläche jedoch durch Worthreichs Rücken strategisch verdeckt bleibt. Doch hinter der provisorischen Fassade kann man eine lautstarke Diskussion vernehmen:

 

Worthreich (lallend):

 

Und glaubt Ihr’s nicht

so stimmt es doch

wenn ich Euch sag

es war der alte Wicht

vom abgeleg’nen Höllenjoch

der sich in den Schacht erbroch

auf dem sonst nur der König sitzt

weshalb es dort nun glitschig ist

und dazu noch übel riecht!

 

Taugenix (schief grinsend die Nase rümpfend): 

Riechen tut es dort wohl schon

Doch war es sicher nicht der Wicht

der hat entweiht den stillen Thron

weil der immer zum Brunnen kriecht!

 

Tunichgut (prustet vor Lachen): 

Da sprichst du Wahrheit, Brüderlein

denn eines das ist wohl geheim

sonst büße ich ganz fürchterlich

doch unter uns gesteh‘ ich ein

– jetzt fehlt mir leider grad ein Reim…

das mit dem Schacht, die Sau war ich!

 

Taugenix (zu Tunichgut): 

So gebt mit Fünfe, Weggefährte

Denn um in keiner Schuld zu stehn‘ 

Ist’s was mich das Leben lehrte

die Rechnung Worthreich anzudrehn‘ 

 

Tunichgut (hämisch lachend):

Nun lieber Worthreich, war das schlau?

zu denken dass ich mich nicht trau

noch nicht einmal wenn richtig blau

drum doch nochmal: Ich war die Sau!

 

Taugenix (zu Worthreich):

Gar ehrenvoll ist’s wie ihr seht,

beim Wettspiel in der Kreid‘ zu stehn

weil jederman beizeiten irrt.

Solange er dazu auch steht 

bleiben die Sünden ungesehn‘

denn Gott ist davon zu verwirrt!

 

Worthreich (schneidet eine Grimasse und grummelt etwas Unverständliches in sich hinein):

Taugenix (zu Worthreich):

Damit der Abend nicht entgleist

Stellt sich die Frage: Seid Ihr flüssig?

Die Antwort, Sie gemahnt zur Eile

denn mit dem Prügel in der Hand

wartet schon seit einer Weile

der Wirth gar ungeduldig bei der Türe

man ist uns hier wohl überdrüssig

und was er tät‘ das ist bekannt

wenn er von Euch hernach erführe

daß Euer Saldo rote Zahlen weist

 

Worthreich (kleinlaut): 

Eure Worte sträuben mir das Haar

denn ich vergaß wohl meine Karten

als ich zuletzt mein Haus verließ

mir dünkt das war wohl gar nicht gut

 

Taugenix: 

Doch, Worthreich, musst die Zeche du begleichen!

Vielleicht per Scheck oder in bar?

Und markier‘ bloß nicht den Harten

Dann bleibt der Abend auch gewiß

ganz unvergessen ohne Blut!

 

Worthreich:

Ich fürchte fast, es gibt heut‘ Leichen

 

Wigbert „Wiggi“ Wirth, der Wirt (mit erhobener Stimme in Richtung Worthreich rufend): 

Sperrstund‘ is‘ es – Zeit zu weichen

Nur eines, das bleibt noch zu tun

Nämlich die Zeche zu begleichen

So, Knete her und Ab nach Haus‘

Sonst wirst du bald auf ewig ruhn‘ 

Denn jedem, der nicht zahlen kann,

dem klopfe die Flausen raus!

Damit man weiß, ich bin ein Mann!

Nur  meine Faust und einen Tritt

die gibt es bei mir auf Kredit!

 

Worthreich:

Oh Ach und Weh, was soll ich sagen

war meiner Sache mehr als sicher

daß wortlos mit gefüllter Tasche

ich würd‘ beschließen diesen Abend 

doch nun geht’s mir an den Kragen 

unter lautstarkem Gekicher

was bin ich bloß für eine Flasche!

Sollt fliehen ich, von dannen trabend?

 

Wirth (baut sich vor Worthreich auf, zieht ein riesiges Küchenmesser hervor und beginnt seine Fingernägel mit diesem zu reinigen): 

Was denn nun, wo bleibt die Asche?

Ihr glaubt doch wohl nicht, daß ich scherze?

Andernfalls fragt bloß dem Küster

dessen hochwohlgebor’ne Puperze

ziert jetzt ein alter Messing-Lüster

und seinen Darm ’ne Wunderkerze!

 

Taugenix (sich an Wirth wendend, tuschelnd, der Inhalt des Gesagten bleibt unverständlich): 

flüster flüster flüster

 

Wirth (beruhigt sich und bekommt ein gieriges Grinsen): 

Ja, dies Geschäft scheint sich zu lohnen

doch zahlt ihr nicht wie abgemacht

wird nicht ‚mal Gott

Euch noch verschonen!

Ja, dann hat es sich ausgelacht!

 

Taugenix reicht Wirth seine Hand, um den Handel zu besiegeln, doch dieser zögert.

 

Taugenix (übertrieben beleidigt):

Mein Ehrenwort ist nicht genüge?

Dann frage ich mit Recht und Fug:

Bezichtigt Ihr mich wohl der Lüge?

So rate ich Euch nur seid klug,

wenn Ihr nicht wollt, daß ich Euch rüge! 

 

Wirth:

Das Wort, das hörte ich sehr wohl

doch sprach hier nicht so sehr der Mensch

als sehr viel mehr der Alkohol

Ein Handschlag ist ja schön und gut

doch fehlt mir die Verbindlichkeit

drum unterschreibt mit Eurem Blut

diesen Vertrag, der Euch schenkt Zeit

(gibt Taugenix ein Stück Papier)

 

Taugenix wendet sich an Worthreich und zeigt ihm den Vertrag. 

 

Worthreich (dümmlich grinsend): 

Die Wette gilt – das schaff ich leicht

mit links, vorn, hinten, unten, oben

mir dieses Spiel zum Wohl gereicht

drum will ich auch gewiß geloben

(liest und murmelt dabei)

…so ist es Brauch…

…mitsamt der Spesen…

Doch zum Nutze soll man auch

das Kleingedruckte lesen:

…verpflichte ich mich… – was auch immer

…als Verlierer dieser Wette 

…meinen Körper und die  Seele… – keinen Schimmer

Völlig undenkbar, daß ich fehle!

Schon in der nächsten Vollmondnacht

wird von mir Fräulein Hohennasen,

des Anstands halber heimgebracht

und dafür mir sehr freundlich danken

Nun will ich aber schnell zu Bette!

Morgen früh schon ist’s vergessen

vergangen wie ein böser Traum

Und will sich wieder einer messen

Dann halte ich mich brav in Zaum!

 

Ritzt sich mit dem Messer des Wirts in den Daumen und unterschreibt mit seinem Blut.

Fortsetzung folgt in: Die Komtesse und der Kritiker

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